|
Entstehung von Bistum und Erzstift
Schon vor dem Jahr 313 war das römische Köln Sitz eines Bistums. Nach der
Eroberung durch die Franken um 450 wurde es zum Erzbistum erhoben. Ihm
unterstanden die Suffraganbistümer Lüttich, Münster, Osnabrück und Minden
sowie bis 834 Hamburg-Bremen und bis 1559 Utrecht.
Um die alten Römerstädte im Rheinland – darunter Bonn, Köln, Jülich, Neuss
und Xanten – hatten die Erzbischöfe bereits früh weltliche Güter und
Grundherrschaften erworben. Später kamen Besitzungen in Westfalen hinzu, mit
Schwerpunkten um Soest, Medebach und Attendorn. Viele alte Besitzungen
wurden für die Ausstattung von Klöstern und Stiften abgegeben oder ging im
11. Jahrhundert nach ihrer Vergabe als Lehen verloren.
Die allmähliche Herausbildung der weltlichen Besitztümer und Rechte des
Erzbistums zum Kurstaat hängt eng mit der des ottonisch-salischen
Reichskirchensystems zusammen: Nach Aufständen mehrerer Herzöge, darunter
zwei seiner eigenen Brüder, übertrug Otto der Große 953 seinem Bruder Brun
die Stadt und das Erzbistum Köln zusammen mit dem Herzogtum Lothringen. Ein
Teil dieses Herzogtums, ein etwa 25 Kilometer tiefer Streifen am linken
Rheinufer, der von Rolandseck im Süden bis Rheinberg im Norden reichte,
blieb den Nachfolgern Bruns als weltlicher Besitz, in dem sie die
Landeshoheit ausübten. Ihre Stellung als wichtige Stützen des Reichs und der
Reichskirche nutzten sie, um sich gegenüber anderen rheinischen und
westfälischen Machthabern wie den lothringischen Pfalzgrafen oder den Grafen
von Werl zu behaupten.
Hohes Mittelalter
Nach dem Tod Heinrichs III. und als Folge der Unsicherheit des
Investiturstreits begannen die Erzbischöfe einen weltlichen
Herrschaftsbereich aufzubauen und konkurrierende Interessen zurückzudrängen.
Unter Anno II. wurden die eigentlichen Grundlagen des späteren Kurstaates
gelegt. In dieser Zeit wurden die Macht der Ezzonen beschnitten und ihnen
Siegburg genommen. Erweitert wurde das Kerngebiet 1067 durch das Reichsgut
um Andernach, später um Deutz, Godesberg, Amt Altenwied mit Linz am Rhein,
und die Grafschaft Liedberg. Im Jahr 1075 kamen auch Aspel und Rees am
rechten Niederrhein hinzu. Ansätze zu einer festeren kölnischen Herrschaft
im südlichen Westfalen gehen auf die Zeit von Friedrich I. von Schwarzenburg
zurück, dem es gelang den Grafen von Arnsberg erhebliche Rechte zu
entreißen.
Dieses Territorium wurde unter Erzbischof Philipp I. von Heinsberg noch
einmal mehr stark vergrößert. Die Erzbischöfe stiegen in dieser Zeit zur
stärksten regionalen Macht auf.
Im Rheinland wurde den Erzbischöfen 1151 endgültig die ripuarische
(rheinische) Herzogswürde verliehen, die sie zur weiteren Bekräftigung ihrer
Machtstellung nutzten. Kaiser Friedrich I. Barbarossa verlieh dem Bischof
1180 mit der Gelnhäuser Urkunde für seine Loyalität im Kampf gegen Herzog
Heinrich den Löwen das Herzogtum Westfalen und Engern. Dazu kam um 1230 das
Vest Recklinghausen. Allerdings gelang es den Kurfürsten von Köln nicht, die
beiden getrennten rheinischen und westfälischen Landesteile zu einem
geschlossenen Territorium zu vereinigen.
Erzbischof Konrad von Hochstaden erweiterte das Erzstift nach Süden, in dem
er ihm die Besitzungen seiner eigenen Familie hinzufügte, die mit ihm
ausstarb. Unter ihm erreichte Kurköln seine größte Machtfülle. Da er sich
früh gegen Kaiser Friedrich II. gestellt und auf die Seite des Papstes
geschlagen hatte, erlangte der Erzbischof dessen besonderes Vertrauen. Der
erklärte ihn und seine Nachfolger zu apostolischen Legaten qua Amt.
Hochstaden galt als Königsmacher, eine Machtstellung, die seine Nachfolger
jedoch nicht behaupten konnten.
Im Limburger Erbfolgestreit unterlag Erzbischof Siegfried von Westerburg
1288 in der Schlacht von Worringen einem Bündnis des Herzogs von Brabant,
der Grafen von Jülich, Kleve und Berg sowie der Bürgerschaft von Köln und
verlor die Herrschaft über seine eigene Bischofsstadt. Köln selbst gehörte
damit nicht mehr zum Kurstaat, sondern galt fortan als Freie Reichsstadt mit
Sitz und Stimme im Reichstag. Schon Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg
hatte die Stadt Köln verlassen. Seine Nachfolger residierten von 1597 bis
zum Ende des Kurstaats hauptsächlich in Bonn.
Im 12. Jahrhundert war der weltliche Herrschaftsbereich des Erzbischofs zwar
ein damals beachtlicher Machtbereich, aber er war noch ein vorterritoriales
Gebilde, ohne feste Grenzen. Es definierte sich im Wesentlichen noch über
die Ausübung herrschaftlicher Rechte. Der Beginn zur Ausbildung einer festen
Landesherrschaft setzte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein. Zu
dieser Zeit kam erstmals auch die Bezeichnung Stift für das erzbischöfliche
Herrschaftsgebiet auf. Von großer Bedeutung für die Durchsetzung einer
territorialen Herrschaft waren die Städte und die Burgen des Erzbischofs.
Auch die verschiedenen Rheinzölle spielten für die Durchsetzung der
Landesherrschaft eine wichtige Rolle.
Spätes Mittelalter
Die sieben Kurfürsten wählen Heinrich von Luxemburg zum König.
Im Jahr 1368 erwarb Kurköln die Grafschaft Arnsberg im Sauerland. Dieses
Gebiet wurde zum territorialen Kern des Herzogtums Westfalen. Die Stadt
Arnsberg wurde Sitz des Landdrosten als Vertreter des Landesherren, (Neben-)Residenz
des Kurfürsten und Tagungsort des Landtags für das Herzogtum. Massive
Versuche auch das benachbarte Bistum Paderborn einzuverleiben scheiterten.
Im Rheinland reichte das Stift im späten Mittelalter von Rheinsberg im
Norden bis nach Andernach im Süden, von Nürburg im Westen bis nach Altenwied
im Osten. Unterteilt war es in das Oberstift nördlich von Köln und das
Unterstift südlich von Köln. 1314 erwarb der Kurstuhl die Köln
benachbarte Grafschaft Hülchrath, mit der in den rheinischen Gebieten die
territoriale Lücke zwischen dem Ober- und dem Niederstift geschlossen wurde,
und gleichfalls im 14. Jahrhundert das Land Linn bei Krefeld.
Zur Zeit von Walram von Jülich fällt zwischen 1332 bis 1349 die
systematische Einführung der Ämterverfassung. Wilhelm von Gennep und
Friedrich III. von Saarwerden haben die Verwaltungsorganisation vollendet.
Auf lokaler Ebene wurden Amtskellner zuständig für die Einnahme der Steuern
eingesetzt. Richter und Vögte waren den Amtmännern für den Bereich der
Justiz beigeordnet.
Die überspannte Machtpolitik Erzbischof Dietrichs II. von Moers hatte
nachhaltige Folgen. In der Soester Fehde von 1444 bis 1449 verlor der
Kurstaat die Herrschaft über Soest und Xanten an die Grafschaft Kleve. Das
Streben nach einem geschlossenen Territoriums und eine verfehlte
Wirtschaftspolitik führten seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
zunehmend zum Ruin und damit zeitweise zur politische Handlungsunfähigkeit
Kurkölns. Zwar gab es noch kleinere territoriale Erwerbungen, insgesamt aber
war die territoriale Entwicklung seit Mitte des 15. Jahrhunderts
abgeschlossen. Kurköln bestand aus einem etwa 100 km langen und 25 km
breiten Landstreifen am Rhein, der das eigentliche Kurfürstentum bildete,
sowie aus dem Herzogtum Westfalen und dem Vest Recklinghausen.
Die hohe Verschuldung des Erzstifts durch Dietrich von Moers führten dazu,
dass die Landstände im rheinischen und westfälischen Teil des Kurstaates
1463 Erblandesvereinigungen erzwangen. Diese bildeten eine der zentralen
Grundgesetze des Landes bis zu seinem Ende. Jeder neue Erzbischof hatte bei
seiner Wahl die Bestimmungen zu beschwören. Sie schrieben unter anderem die
Beteiligung des Domkapitels und der übrigen Landstände an zentralen
politischen Entscheidungen, wie die Erklärung von Kriegen und die
Bewilligung von Steuern fest.
Die Belagerung von Neuss war ein bedeutender Bestandteil der Kölner
Stiftsfehde.
Als erster hat Ruprecht von der Pfalz die Erblandesvereinigungen beschworen,
sich bald aber nicht mehr dran gehalten. Als er das an das Domkapitel
verpfändete Zons besetzten ließ, beanspruchten die Stände das in der
Erblandesvereinigung verbriefte Widerstandsrecht für sich und bestimmten
Hermann von Hessen als Stiftsverweser. Beide Seiten hatten Unterstützer
innerhalb des Staates und von außen. Die Hessen unterstützen Hermann, Karl
der Kühne stand auf Seiten von Ruprecht. Es kam zur Kölner Stiftsfehde in
deren Verlauf es zur langen Belagerung von Neuss kam. Nach der Gefangennahme
durch hessische Truppen hat Rupprecht sein Amt aufgegeben.
Frühe Neuzeit
Reformation und Gegenreformation
Hermann von Wied
Unter Hermann V. von Wied kam es in den 1540er Jahren zum Versuch im
Kurstaat die Reformation einzuführen (Kölner Reformation). Er traf dabei auf
Widerstand insbesondere aus Reihen des Domkapitels und der Kölner
Universität, aber fand auch Unterstützung durch Grafen, Städte und
Ritterschaft auf dem Landtag von 1543. In Städten wie Bonn, Neuss, Kempen
und Kaiserwerth wurde die reformatorische Predigt eingeführt. Insbesondere
die Niederlage der protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg und
damit die fehlenden Unterstützung von außen führten zum Scheitern und zum
Amtsverzicht Hermanns.
Auch nach dem Scheitern von konnten sich im kurkölner Herrschaftsbereich
Ansätze evangelischer Gemeinden halten. Adolf III. von Schaumburg versuchte
mit mäßigen Erfolg dem durch Ansätze von Kirchenreformen (Provinzialsynode,
Visitiationen usw.) und Bekämpfung des Protestantismus entgegen zu wirken.
In Städten wie Bonn, Kempen und Neuss und einigen Unterherrschaften konnte
sich evangelisches Leben gestützt auf die lokalen Herrschaftsträger sogar
stabilisieren. Die folgenden Kurfürsten taten wenig, um den Protestantismus
zurückzudrängen.
Unter Salentin von Isenburg kam es zu einer Visitation, die zusätzlich zu
den protestantisch gewordenen Gemeinden und Herrschaft in 40 von 180
Pfarreien lutherische, Calvinistische oder täuferische Spuren feststellte.
Allerdings war nur eine kleine Minderheit der Pfarrer klar protestantisch.
Unter Gebhard I. von Waldburg kam es in den 1580er Jahren noch einmal zu
einem Versuch das Erzstift in eine weltliches Fürstentum umzuwandeln und die
Reformation einzuführen. An seiner Stelle wurde Ernst von Bayern vom
Domkapitel zum neuen Erzbischof und Landesherren gewählt. Gebhardt leistete
Widerstand und wurde im Kölnischen Krieg besiegt. Nach dem Sieg von Ernst
von Bayern setzten sofort gegenreformatorische Maßnahmen ein. Nur in wenigen
Gemeinden konnte sich die Reformation behaupten.
Seit Ernst von Bayern wurde das Kurfürstentum zwischen 1583 und 1761
durchgehend von Erzbischöfen aus dem bayerischen Haus Wittelsbach regiert.
Dieses konnte so seinen politischen Einfluss im Nordwesten des Reiches
erweitern. Zudem verfügte die Familie damit über einen Sitz im
Kurfürstenkollegium.
In kirchenpolitischer Hinsicht kam es im wesentlichen
erst unter Ferdinand von Bayern zu kirchlichen Reformen. Er hat insbesondere
die Jesuiten, aber auch Kapuziner und andere Orden gefördert. Seit 1584 war
Köln einer päpstlichen Nuntiatur, die zu einem wichtigen Motor der
Gegenreform und Kirchenreform wurde.
Zur Zeit Ferdinands war Kurköln
insbesondere zwischen 1626 und 1631 eines der Zentren der
Hexenverfolgung.
Entwicklung im 17./18. Jahrhundert
Clemens August mit allen Zeichen seiner geistlichen und weltlichen
Herrschaft: Kurmantel und Kurhut stehen für das Kurfürstentum Köln, das auf
der Brust hängende bischöfliche Pektorale, der Kragen des Priesterornats und
die auf dem Tisch hinter dem Kurhut liegende Mitra versinnbildlichen sein
Amt als Erzbischof von Köln.
Als Sekundogenitur der Wittelsbacher unterstützte Kurköln in der Regel die
meist pro-französische und anti-habsburgische Politik der Herzöge und
Kurfürsten von Bayern. Insbesondere Maximilian Heinrich von Bayern richtete
seine Politik auf Frankreich und gegen das Reich aus. Er verbündete sich
1671 mit Ludwig XVI. und nahm am Krieg gegen die Niederlande teil. Dieses
Politik führte zu einer starken Belastung des Staates. Gleichzeitig trieb
Max Heinrich auch die kirchliche Reformpolitik voran.
In die Zeit der wittelsbachischen Sekundogenitur fällt im Wesentlich auch
die Modernisierung der staatlichen Spitze mit absolutistischen Tendenzen.
Erst unter Ferdinand von Bayern kam es unter Umgehung der
Erblandesvereinigung im 17. Jahrhundert zur Einführung eines ständigen
Hofrates an dem auch das Domkapitel beteiligt wurde. Außerdem hat er einen
geheimen Rat gegründet, der ausschließlich dem Kurfürsten verantwortlich war
und sich zum eigentlichen zentralen Regierungsgremium entwickelte.
Außenpolitisch war das 18. Jahrhundert von wechselnden Bündnissen geprägt.
Dabei spielten nicht zuletzt die Höhe der Subsidien eine Rolle. In
wirtschaftlicher Hinsicht, blieb die Entwicklung begrenzt. Dagegen
entfalteten die Kurfürsten eine prächtige Hofhaltung.
In die Zeit von Joseph
Clemens von Bayern fiel im Rahmen des pfälzischen Krieges die Zerstörung von
Bonn. Er hat 1701 die Seiten gewechselt und sich mit Ludwig XIV. verbündet.
Vom Reich geächtet, musste er ins französische Exil gehen. Nach der Rückkehr
1715 hat er den Wiederaufbau Bonn und der kurfürstlichen Schlösser planen
lassen, erlebte aber nicht mehr deren Vollendung.
Sein Nachfolger Clemens
August I. von Bayern hat oftmals die Bündnisse gewechselt. Er hat
prachtvolle Schlösser und Gärten errichten lassen. Insgesamt aber hat er die
Einkünfte auch für eine übertriebene Hofhaltung, für Jagden verschwendet.
Mit Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels endete die Zeit der
bayerischen Prinzen als Kurfürsten. Der neue Kurfürst hat eine energische
Sparpolitik betrieben und 1777 die Akademie Bonn, seit 1784 Universität,
gegründet.
Unter Maximilian Franz von Österreich kam es im Sinn der katholischen
Aufklärung zu zahlreichen Reformen in fast allen Politikbereichen aber
insbesondere im Bildungswesen. Die Universität in Bonn wurde ausgebaut, die
Schulbildung und Lehrerausbildung verbessert.[
Das Ende des Kurstaats
Im Frieden von Lunéville wurden 1801 alle linksrheinischen Gebiete Kurkölns
an das napoleonische Frankreich abgetreten. Die rechtsrheinischen
Territorien wurden als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803
säkularisiert und auf die Herzogtümer Nassau und Hessen-Darmstadt sowie auf
die Grafschaft Wied-Runkel aufgeteilt. Damit endete die Geschichte Kurkölns
drei Jahre bevor auch das Reich 1806 zu bestehen aufhörte.
Bis auf die nassauischen Gebiete fiel das gesamte Territorium des früheren
Kurstaats auf dem Wiener Kongress 1815 an Preußen. Sie gehörten zunächst zur
Provinz Jülich-Kleve-Berg und ab 1822 zur Rheinprovinz. Das ehemalige
Herzogtum Westfalen und das Vest Recklinghausen gehörten dagegen zur Provinz
Westfalen. Seit 1946 gehören die Gebiete des Kurfürstentums Köln zum Teil
zum Bundesland Nordrhein-Westfalen und zum Teil zu Rheinland-Pfalz.
Institutionen
Kurfürst und Hofhaltung
Bereits seit 1028 stand dem Erzbischof von Köln das Recht der Königskrönung
zu, da die damalige Krönungsstadt Aachen in seiner Erzdiözese lag. Seit 1031
war er zudem Erzkanzler für Reichsitalien. Zusammen mit den beiden
rheinischen Erzbischöfen von Trier und Mainz sowie mit dem Pfalzgrafen bei
Rhein, dem Markgrafen von Brandenburg, dem Herzog von Sachsen und dem König
von Böhmen bildeten sie das ursprünglich siebenköpfige Kurfürstenkollegium.
Dieses hatte seit dem 13. Jahrhundert das alleinige Recht zur Wahl des
deutschen Königs.
Der Kölner Erzbischof wurde vom Domkapitel gewählt. Zur Erlangung aller
bischöflichen und weltlichen Rechte bedurfte es aber der päpstlichen
Bestätigung und der Belehnung mit den weltlichen Regalien durch den Kaiser.
Insbesondere seit der Goldenen Bulle Karl IV. von 1365 hatten die Kurfürsten
bedeutende Vorrechte gegenüber anderen Fürsten. Darunter war auch die
uneingeschränkte Gerichtshoheit. Mit dem Ende des dreißigjährigen Krieges
hatten sie als Reichsfürsten das Recht äußere Bündnisse einzugehen, auch
ihre inneren Unabhängigkeit vom Kaiser wurde noch einmal gestärkt. Im
Inneren wurden die landesherrlichen Rechte jedoch erheblich von den Ständen,
insbesondere vom Domkapitel, eingeschränkt. Bezeichnend war, dass der
Kurfürst für die Einberufung eines Landtages der Zustimmung des Domkapitels
bedurfte, umgekehrt konnte dieses notfalls ohne Zustimmung des Landesherren
eine solche Versammlung einberufen. Trotz Verbots durch Innozenz XII. im
Jahr 1695 hatten die Erzbischöfe bei ihrer Wahl dem Domkapitel in einer
Wahlkapitulation dessen alten Vorrechten garantieren müssen. Den
Ständen insgesamt musste er durch die Beschwörung der Erblandesvereinigung
von 1463 beziehungsweise 1590 Mitsprache in zentralen Bereichen wie der
Erklärung von Kriegen oder der Erhebung von Steuern einräumen.
Selbst
grundlegende Veränderungen der Religion etwa die Einführung der Reformation
bedurfte der Zustimmung der Stände.
Trotz dieser faktischen Machtbeschränkung existierte in der frühen Neuzeit
ein großer Hofstaat, der unter Joseph Clemens von Bayern nach dem Vorbild
absolutistischer Staaten insbesondere des französischen Hofes in Versailles
umgestaltet wurde. Zur Zeit von Clemens August I. von Bayern erhielt er
seine bis zum Ende des Kurstaates weitgehend gültige Gestalt. Gleichzeitig
wurde die Hofhaltung von den Regierungsbehörden stärker geschieden. An der
Spitze des Hofes stand der Obrist-Landhofmeister. Unter ihm gab es mehrere
Stäbe. Die alten aus dem Mittelalter stammenden Hofämter hatten nur noch
repräsentative Funktionen und waren in hochadeligen Familien erblich. Der
Bonner Hof war im 18. Jahrhundert der wohl prachtvollste in ganz West- und
Norddeutschland. Allerdings standen die Kosten in keinem Verhältnis zur
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Staates. Die Kurfürsten waren nicht
selten zur Finanzierung auf Subsidien auswärtiger Mächte angewiesen, die
dafür meist politische Gegenleistungen einfordern konnten. Unter Maximilian
Friedrich von Königsegg-Rothenfels und Maximilian Franz von Österreich
wurden trotz des Festhaltens an der Grundstruktur des Hofes zahlreiche
Einsparungen vorgenommen.
Domkapitel
Im Kurfürstentum Köln bildete das Domkapitel als 1. Stand das höchste
Leitungsgremium des Bistums und des Erzstifts unter dem Erzbischof. Nach
dessen Tod einen Nachfolger zu wählen war seine wichtigste Befugnis. Bis zum
Ausgang des Mittelalters bestand es aus 72 Mitgliedern, von denen jedoch nur
24 wahlberechtigte Kapitulare waren. Später sank ihre Zahl auf 24
wahlberechtigte Kanoniker und 24 Domizellare. Papst und Kaiser besaßen zudem
noch ein Ehrenkanonikat, das ihnen eine Mitsprache bei der Neubesetzung des
Bischofsamtes ermöglichte.
Das Kapitel teilte sich in 16 Domgrafen (oder Domherren) und 8
Priesterherren auf. Nur Domgrafen durften die Ämter des Dompropstes, des
Domdechanten, des Vizedechanten, des Chorbischofs, des Scholasters, des
Diakonus senior und des Diakonus junior bekleiden. Um in das Domkapitel
aufgenommen zu werden, mussten sie 16 regierende adlige Vorfahren
väterlicher- und mütterlicherseits aufweisen und die Subdiakonenweihe
empfangen haben. Lediglich der Domdechant, der das Kapitel leitete, musste
die Priesterweihe erhalten haben. Da die meisten Domherren mehrere
Kanonikate in unterschiedlichen Bistümern besaßen, residierten nur wenige
tatsächlich in Köln. Im 17. und 18. Jahrhundert kamen zudem viele Domgrafen
aus schwäbischen Familien, so dass das Kapitel von Landfremden beherrscht
wurde.
Seit 1218/19 stieg die Zahl der ebenfalls wahlberechtigten Priesterherren
auf 7, später auf 8 an. Neben der Priesterweihe mussten sie spätestens seit
dem 15. Jahrhundert einen akademischen Grad in Theologie oder Jurisprudenz
vorweisen. Da sie für gewöhnlich alle an der Domkirche residierten, waren
sie den Domgrafen an Zahl meist überlegen, so dass sie das eigentliche
politische Willenszentrum des Kapitels darstellten. Im Gegensatz zu den
Domgrafen entstammten die Priesterherren stets der Stadt Köln oder ihrem
Umland. Da mehrere Kanonikate der Universität Köln inkorporiert worden
waren, vergab sie diese zur Besoldung an ihre Professoren.
Das Domkapitel ergänzte sich im Wesentlichen durch Kooptation. Der
Erzbischof hatte auf die Zusammensetzung kaum Einfluss. Bei allen Spannungen
zwischen Kurfürst und Domkapitel bekleideten die Domherren oft auch wichtige
weltliche Ämter im Kurstaat.
Nach der Säkularisation wurde das Domkapitel auf 16 Stellen und zwei
Dignitäten - Dompropst und Domdechant - beschränkt. Von diesen sind bis
heute vier als nichtresidierende Domherren an der Domkirche tätig.
Premierminister
Der "Premierminister" oder "Erste Minister" war der leitende Minister
Kurkölns. Das Amt wurde im 17. Jahrhundert geschaffen, da sich die
Erzbischöfe meist nicht selbst um die Politik kümmerten. So war der
Premierminister der eigentliche Regent.
Erst unter dem dem letzten
Kurfürsten, Maximilian Franz von Österreich, der selbst die
Regierungsgeschäfte wahrnahm, war das Amt nur noch ein nominelles. Der
Premierminister wurde vom Erzbischof frei eingesetzt und bekleidete zumeist
auch das oberste Amt am Hof, das des Obristlandhofmeisters.
* 1650–1682: Franz Egon Graf von Fürstenberg
* 1682–1688: Wilhelm Egon Graf von Fürstenberg
* 1688–1719: Johann Friedrich Karg von Bebenburg
* 1723–1733: Ferdinand von Plettenberg
* 1733–1750: Ferdinand Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen
* 1751–1755: Hermann Werner von der Asseburg
* 1756–1766: Franz Christoph Anton von Hohenzollern-Sigmaringen
* 1766–1784: Caspar Anton von Belderbusch
* 1784–1785: Carl Otto Ludwig Theodat von und zu Gymnich
Räte
Wie in anderen Ländern des Reiches, so oblag auch in Kurköln die eigentliche
Landesverwaltung in der frühen Neuzeit verschiedenen Rats-Kollegien. Da ihre
Aufgabenverteilung nie eindeutig von einander abgegrenzt wurde, kam es immer
wieder zu Überschneidungen und Streitigkeiten zwischen den einzelnen
Gremien. Deren Mitglieder, die Räte, waren heutigen Staatssekretären
vergleichbar. Man unterschied dabei zwischen wirklichen Räten, die sich
tatsächlich mit der Politik des Landes befassten und den "normalen" Räten,
welche ihren Titel ehrenhalber trugen und oftmals gegen Bezahlung erhalten
hatten.
Die verschiedenen Kollegien waren:
* das Geheime-Rats-Kollegium, das von einem Geheimen Ratskanzler und bei
dessen Abwesenheit vom ältesten Geheimrat geleitet wurde;
* das Geistliche-Rats-Kollegium mit einer eigene Kanzlei, das von einem
Präsidenten geleitet wurde und dessen Verwaltung ein Direktor vorstand;
* das Hofrats-Kollegium, das aus zwei Verwaltungssträngen bestand, denen
beiden der Hofratspräsident vorstand. Während die Hofräte und die
Hofratskanzlei durch einen Direktor geleitet wurden, stand die Leitung des
Hohen Weltlichen Schöffengerichts zu Bonn dem dortigen Obervogt zu;
* das Hofkammer-Rats-Kollegium, das ebenfalls zwei Stränge umfasste, denen
beiden ein Präsident vorstand. Während Hofkammerräte und Hofkammerkanzlei
zur den Direktor der Hofkammer geleitet wurden, unterstand die "Münze" dem
Landrentmeister;
* das Kriegs-Rats-Kollegium. Unter einem Präsidenten stehend, wurden
Kriegsräte und Kriegsratskanzlei durch einen Direktor geleitet.
Der Landtag
Bis zur Auflösung des Kurstaates bildeten die 3 jährlichen Landtage im
Erzstift, dem Herzogtum Westphalen und dem Vest Recklinghausen die
Ständevertretung. Sie waren von einander unabhängig und tagten jeweils für
sich. Der wichtigste von ihnen war der Landtag des Erzstiftes, welcher für
gewöhnlich im Bonner Minoritenkloster tagte. Er bewilligte dem Kurfürsten
die Erhebung der jeweiligen Steuern und wurde von den Landständen von
Westfalen und Recklinghausen als passiven Zuhörern besucht.
Im ausgehenden Mittelalter bildeten sich im eigentlichen Erzstift vier
Landstände: Domkapitel, Grafen, Ritter und Städte.
1. Stand: Das Domkapitel, welches 4 seiner Mitglieder in den Landtag
entsandte.
2. Stand: Die Inhaber eines Rittersitzes, welche seit wenigstens vier
Generationen dem reichsunmittelbaren Adel angehörten. Sie wurden auch
Grafenstand genannt.
3. Stand: Die Inhaber wenigstens einer der 227 Rittersitze des Erzstifts,
wenn sie zugleich ihren Adel nachweisen konnten. Der Besitz eines
Rittersitzes ohne Adelsnachweis alleine reichte nicht aus.
4. Stand: Er bestand, abgesehen von Deutz und Alpen, aus allen 18 Städten
des Erzstiftes. In ihm stellte Andernach das Direktorium für das Oberstift
und Neuss das Direktorium für das Niederstift. Während die Direktorialstädte
drei Abgeordnete entsandten, konnten die Unter-Direktorialstädte Ahrweiler,
Linz am Rhein, Rheinberg und Kempen lediglich zwei entsenden.
Grundsätzlich fand der Landtag einmal im Jahr statt, zumeist in der ersten
Hälfte eines Jahres. Vor seiner Einberufung musste der Kurfürst die
Zustimmung des Domkapitels einholen, was gewöhnlich vier Wochen vor dem
Tagungstermin geschah.
Zu Beginn der Tagung hörten alle Teilnehmer die Messe zum Heiligen Geist.
Mit der anschließenden Verlesung der Landtagsproposition wurden die
Sitzungen formell eröffnet. Danach begaben sich die Teilnehmer, nach Ständen
getrennt, in ihre Sitzungszimmer.
Während der ersten Woche verhandelte man vorrangig die Gravamina. Hierbei
handelte es sich überwiegend um Beschwerden über Verletzung der Rechte der
Landstände durch die kurfürstlichen Regierungsorgane. Zur zweiten Phase, der
Geldbewilligung, ging man erst über wenn der Kurfürst Resolutionen erlassen
hatte, die den Forderungen der Landstände entsprachen. Dies geschah nicht
bei allen Ständen gleichzeitig, da sie unabhängig voneinander berieten. Nach
der Frage der Geldbewilligung behandelte man Eingaben einzelner Untertanen.
Bei den Abstimmungen unter Domherren, Grafen und Rittern galt das
Mehrheitsprinzip, bei den Städten dagegen gab es erhebliche Unterschiede in
der Gewichtung. Hier zählte die Stimme einer Direktorialstadt alleine schon
soviel wie die Stimmen aller Unterstädte zusammen.
Die Meinungsbildung des Landtags erfolgte grundsätzlich von den niederen zu
den höheren Ständen, also von den Städten über die Ritter und Grafen bis zum
Domkapitel. Zunächst mussten sich die Städten mit den Rittern, dann die
Ritter mit den Grafen und in einem letzten Schritt die Grafen mit den
Domherren auf eine gemeinsame Haltung einigen. Wich ein höherer Stand mit
seiner Haltung in einer bestimmten Frage von den vor ihm abstimmenden Stände
ab, so mussten diese erneut verhandeln. Das gesamte Procedere begann noch
einmal von neuem. Kam wieder keine Einigung zustande, so teilte man dem
nächsthöheren Stand bzw. der kurfürstlichen Regierung die voneinander
abweichenden Voten mit.
Das umständliche Verfahren stärkte die höheren Stände bei der Durchsetzung
ihrer Interessen. Gleichzeitig sollte es aber gewährleisten, dass der
jeweils höhere Stand in seine Entscheidungen automatisch die der unteren
Stände mit einfließen ließ. Dem lag die allgemein verbreitete
staatsrechtliche Vorstellung zu Grunde, dass das Land dem Landesherrn "unavoce",
also mit einer Stimme, gegenüber treten müsse.
Während die Kurfürsten im Kerngebiet ihres Territoriums mit einem gewissen
Erfolg die Mitbestimmungsrechte der Landtage zugunsten einer
absolutistischen Herrschaftsauffassung zu beschneiden wussten, gelang ihnen
dies in den Nebenländern insbesondere im Herzogtum Westfalen nur in einem
geringen Maße. Dort bewahrte sich der Landtag bis zum Ende des alten Reiches
erheblichen Einfluss.
Territorialverwaltung
Ämter
Ein Amt war ein fest umschriebener Bereich. Hier hatte der Erzbischof die
Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit. Von diesen Bereichen waren die in ihnen
gelegenen Unterherrschaften und Herrlichkeiten ausgenommen. Die Größe der
Ämter war relativ unterschiedlich. Kleine Ämter bestanden oft nur aus einer
Stadt mit ihrem unmittelbaren Umland (Meckenheim, Rhens), einer Stadt mit
einigen Gemeinden des Umlandes (Rheinbach, Zülpich, Deutz, Zons) oder auch
mehreren Landgemeinden (Godesberg, Mehlem, Wolkenburg, Zeltingen, Alken,
Königsdorf). Oftmals waren in einem Amt nicht alle Verwaltungsämter besetzt
und manchmal noch nicht einmal das des Amtmannes. Jener war oftmals zugleich
Amtmann eines anderen, benachbarten Amtes. Es gab aber auch große Ämter wie
Bonn, Altenwied, Kempen-Oedt, die stets einen vollständigen Beamtenstab
besaßen.
Für gewöhnlich stand an der Spitze eines Amtes der Amtmann, der jederzeit
ablösbar war und bis zum Ende des Kurstaates stets aus dem Ministerialadel
genommen wurde. Oftmals schon zu frühen Zeiten in ihren Amtsgeschäften von
Unteramtmänner vertreten, wurden seit dem 17. Jahrhundert an ihre Stelle
reguläre Amtsverwalter berufen. Hierbei behielten die Amtmänner jedoch den
Titel eines solchen. Zu den Aufgaben des Amtmannes gehörte der militärische
Schutz des ihm anvertrauten Amtes, der Bewohner und der hoheitlichen und
nutzbaren Rechte des Erzbischofs nach außen. Auch Rechtsfrieden, Sicherheit
und Ordnung nach innen waren ihm unterstellt. Mit einem festen Amtssitz
versehen, erhielt für die Kosten seiner Amtsführung regelmäßige Einkünfte,
die für gewöhnlich den im Amt anfallenden Einnahmen des Landesherren
entnommen wurden. In späteren Zeiten erhielt er auch ein festes Gehalt. Saß
er im 13. Jahrhundert noch dem Gericht vor, so wurde das Amt eines Richters
doch bald personell getrennt und nun durch die landesherrliche Richter,
Schultheißen und Vögte versehen, welche jedoch häufig auch zugleich
Amtsverwalter oder Kellner waren.
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts finden wir auch das Amt des Kellners.
War er im Ursprung nur für den Unterhalt des Personals auf den Amtsburgen
zuständig, so waren doch bald alle landesherrlichen Einkünfte seine
Zuständigkeit. Im Ursprung auch oft durch schriftkundige Geistliche
verwaltet, gelangte die tatsächliche Amtsführung seit dem 18. Jahrhundert
häufig in die Hände eines treuhändlichen Verwalters.
Unterherrschaften
In den Unterherrschaften wurde die Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit häufig
durch einen Adligen, der für gewöhnlich nicht in anderen Territorien belehnt
war, ausgeübt. Die Unterherrschaft war keinem Amt unterworfen, sondern
bildete ein eigenständiges Lehnsgebilde. So konnte der Erzbischof weder Bede
noch Schatz als landesherrliche Steuern einfordern und lediglich eine
lockere Schutzfunktion geltend machen. Auch ständige juristische Kleinkriege
führten nicht zum erhofften Ziel einer vollen Landeshoheit des
"Unterherren".
Entsprechend griffen die landesherrlichen Verordnungen des
Erzbischofs, seine Edikte bezüglich Steuererhebungen, Jagdausübung,
Gerichts-, Rechts-, Brüchten-, Polizei- und Taxenverordnungen auch hier.
Herrlichkeiten
Bei den Herrlichkeiten handelte es sich um die 227 Rittersitze mit ihren
Appertinenzien, deren Inhaber zumeist die Niedergerichtsbarkeit besaßen. Sie
waren von der Bede, dem Schatz und den Dienstpflichten gegenüber dem
Erzbischof als Landesherrn ausgenommen.
Städte
Die Städte Kurkölns bildeten Gebietskörperschaften, denen durch Privilegien
ein Recht auf eine weitgehend selbständige Erledigung ihrer Angelegenheiten
zugestanden wurde. In der Erblandesvereinigung von 1463 wurde als Städte
genannt: Bonn, Andernach, Neuss, Ahrweiler, Linz, Rheinberg, Kaiserswerth,
Zons, Uerdingen, Kempen, Rheinbach, Zülpich und Lechenich.
|
|